Sind wir (alle) am Rechtsruck
selbst (mit) schuld?

Vor etwa zwan­zig Jah­ren wur­de mit der Agen­da 2010 eine weit­rei­chen­de Reform der sozia­len Siche­rungs­sys­te­me in Deutsch­land beschlos­sen. Die­se umfass­te unter ande­rem die Ein­füh­rung der Hartz-IV-Gesetzgebung sowie den Weg­fall der klas­si­schen Sozi­al­hil­fe, die statt­des­sen mit einer Pflicht zur Arbeits­auf­nah­me ver­bun­den wur­de.

In der brei­ten Gesell­schaft stieß die­se Reform auf erstaun­lich wenig Wider­stand. Viel­mehr wur­de der Zwang zur Erwerbs­ar­beit von vie­len sogar laut­stark befür­wor­tet – beglei­tet von dem irre­füh­ren­den Slo­gan „För­dern und For­dern“. Dabei wur­de die Tat­sa­che igno­riert, dass durch den tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt immer mehr Arbeits­plät­ze wegrationalisiert wer­den. Anstatt die­se Ent­wick­lung als Chan­ce zur Neu­ge­stal­tung der Arbeits­welt zu nut­zen und den geschaf­fe­nen Mehr­wert fair zu ver­tei­len, wur­den und wer­den die von Erwerbs­ar­beit frei­ge­stell­ten Men­schen gesell­schaft­lich stig­ma­ti­siert und kri­mi­na­li­siert.

Um das (völ­lig irr­sin­ni­ge) Ziel, mög­lichst vie­le Men­schen in Arbeit zu brin­gen, durch­zu­set­zen, wur­den extra zahl­rei­che neue Arbeits­plät­ze, Arbeits­be­schaf­fungs­maß­nah­men und Beschäf­ti­gungs­maß­nah­men geschaf­fen, deren Nut­zen frag­lich erscheint. Dies führ­te und führt nicht nur zu einer immensen Ver­schwen­dung von Res­sour­cen, son­dern trägt auch erheb­lich zur Umwelt­be­las­tung und zur Ver­schär­fung der Kli­ma­kri­se bei.

Die Agen­da 2010 mit ihren Hartz-IV-Gesetzgebungen (heu­te auch kos­me­tisch als Bür­ger­geld bezeich­net) hat ein enor­mes psy­cho­lo­gi­sches Druck­po­ten­zi­al auf all jene Men­schen auf­ge­baut, die sich noch in Arbeit befin­den oder frü­her oder spä­ter selbst von Arbeits­lo­sig­keit bedroht sind.

Die Angst davor, selbst in das Hartz-IV- bzw. Bürgergeld-System abzu­rut­schen, führt dazu, dass vie­le Men­schen lie­ber im Bil­lig­lohn­sek­tor tätig blei­ben und oft meh­re­re Tätig­kei­ten aus­üben müs­sen, um über die Run­den zu kom­men. Men­schen, die ihre Arbeit noch vor dem Ren­ten­ein­tritts­al­ter ver­lie­ren und auf­grund ihres hohen Alters kaum noch eine Chan­ce auf einen neu­en Arbeits­platz haben, sind gezwun­gen, einen Groß­teil ihrer erspar­ten Rück­la­gen auf­zu­brau­chen oder sogar ihren hart erar­bei­te­ten Lebens­stan­dard auf­zu­ge­ben. Dies trägt unter ande­rem zu einer Zunah­me der Alters­ar­mut bei.

Brau­chen die Men­schen die Unge­rech­tig­keit und das Elend der Welt, um sich im Gegen­kampf gut und wich­tig zu füh­len oder sich zu pro­fi­lie­ren?


Über die­sen Link fin­det man den Text auch als Info­blatt im A4-Format.